Berlin gemeinsam gestalten – Die grüne Berlin-Konferenz
Auf unserer grünen Berlin-Konferenz haben wir am 28. November 2015 gemeinsam mit rund 350 Gästen im Abgeordnetenhaus über aktuelle und künftige Herausforderungen unserer Stadt diskutiert. Es war überwältigend, wie viele gute Ideen und welch großes Engagement es für unsere Stadt gibt – das haben die drei Podiumsdiskussionen zu Teilhabe, Toleranz und grünem Wirtschaftswachstum sowie der Market Place mit vielen Berliner Initiativen, Verbänden und Unternehmen gezeigt. Wir sind beeindruckt von den zahlreichen Berlin-MacherInnen, die ihre Ideen für ein lebendiges, weltoffenes und nachhaltig wachsendes Berlin vorgestellt haben und – mit der Stadt, für die Stadt – einfach loslegen und gestalten trotz rot-schwarzer Blockadepolitik.
Auf den drei zentralen Panels „Berlin macht mit“, „Weltoffenes Berlin“ und „Berlin wächst Grün“ diskutierten miteinander die Intendantin des Gorki-Theaters, Shermin Langhoff, der stellvertretende DGB-Vorsitzende Christian Hoßbach, der Präsident der Handwerkskammer Berlin, Stephan Schwarz, Andreas Krüger vom Aufbauhaus, Burkhard Kieker von visitBerlin, die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der IHK Berlin, Melanie Bähr, Francesca Ferguson, Initiatorin des Make City Festivals, die Polizei-Vizepräsidentin Margarethe Koppers, die Gründerin des Original Unverpackt-Supermarktes, Milena Glimbowski, Dr. Philipp Bouteiller von der TXL Projekt GmbH, Jacob Bilabel von der Green Music Initiative, Alexander S. Wolf von AusserGewöhnlich Berlin sowie Ramona Pop und Antje Kapek, Fraktionsvorsitzende der Grünen-Fraktion, Bettina Jarasch und Daniel Wesener, Landesvorsitzende der Grünen in Berlin. Bei allen PodiumsteilnehmerInnen war der tatkräftige Optimismus zu spüren, mit Engagement und Kreativität Berlins Zukunft gemeinsam zu gestalten.
Berlin macht mit
Auf dem Panel „Berlin macht mit“ ging es um gelebte Teilhabe und echte Partizipation in unserer Stadt. Die PodiumsteilnehmerInnen waren sich einig, dass es in Berlin bereits ein breites und buntes bürgerschaftliches Engagement gibt. Zahlreiche BerlinerInnen gestalten ihre Stadt, mischen sich ein, packen an und machen mit. Kritisch wurde diskutiert, wie sich eine neue Beteiligungskultur nicht nur leben, sondern auch kultivieren lässt. Denn während die Zivilgesellschaft in Berlin ihre Beteiligung immer häufiger einfordert, gibt es in der rot-schwarzen Senatspolitik zu wenig Bereitschaft, die Stadt in Zusammenarbeit mit der Stadtgesellschaft weiterzuentwickeln.
Andreas Krüger (Belius Stiftung) betonte in seiner Keynote, dass Berlin umsichtig mit den Räumen und Freiräumen in der Stadt umgehen und deswegen in der Stadtplanung „nicht vom Reißbrett, sondern vom Menschen her“ gedacht werden müsse. Die Rolle der Grünen sieht Krüger darin, dass wir den „Wettbewerb um die Vergabe der Ressource Raum“ für die Stadtgesellschaft klug moderieren könnten. Krüger äußerte auch den Wunsch an die Politik, abgestimmte Strategien zu erarbeiten, wie Berlin als europäische Metropole das beeindruckende bürgerschaftliche Engagement stärker für sich und die Lebensqualität in der Stadt nutzen könne.
Antje Kapek unterstrich in der Diskussion die großen Potenziale Berlins und warb dafür, dass Politik und Verwaltung endlich Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass allen Berlin-MacherInnen, die sich für und in Berlin engagieren, die benötigten Freiräume und Möglichkeiten erhalten bleiben und auch neue geschaffen werden.
Weltoffenes Berlin
Das zweite Podium „Weltoffenes Berlin“ war stark mitgeprägt von der aktuellen Flüchtlingsdebatte. Betont wurde von allen Seiten die erschreckende Diskrepanz zwischen dem eindrucksvollen ehrenamtlichen Engagement und den katastrophalen administrativen Zuständen etwa am LAGeSo. Shermin Langhoff (Maxim Gorki Theater) formulierte es so: „Wir sind stolz auf unsere Diversität und Toleranz, aber wir schaffen es nicht, Menschen, die in diese Stadt fliehen, mit dem Nötigsten zu versorgen. Wir haben keine Flüchtlingskrise, sondern eine peinliche Verwaltungskrise.“
Daniel Wesener teilte diese Diagnose Langhoffs und betonte, es ginge generell darum, welche Strukturen Berlin momentan hat und welche es bräuchte, um wieder zu funktionieren. Die falschen Voraussetzungen im Verwaltungshandeln beträfen die Flüchtlinge vor dem LAGeSo zwar existentieller als andere BerlinerInnen, die aber aus ähnlichen Gründen monatelang auf Termine auf den Bürgerämtern oder auf das Elterngeld warten müssten. Wenn es in der wachsenden Stadt gleichzeitig eine schrumpfende Verwaltung gebe, könne das auf die Dauer nicht gutgehen.
Shermin Langhoff (Keynote) attestierte Berlin, tatsächlich eine gelebte weltoffene Stadt zu sein, da „die Menschen hier ihre Verschiedenheit leben, ohne sich fremd zu fühlen, und weil sich ihre Freiheit auf die Solidarität anderer stützen darf und kann“. Zu einer wirklich weltoffenen Stadt gehörten aber auch qualifizierte Möglichkeiten von Partizipation und Teilhabe für alle BerlinnerInnen, fügte Langhoff mit Blick auf das Wahlrecht und das Kriterium der Staatsbürgerschaft an.
Handwerkskammerpräsident Schwarz hob hervor, dass Migration nicht als Bedrohung wahrgenommen werden dürfe. Dass die Stadtgesellschaft in den unterschiedlichsten Facetten eine Willkommenskultur zeige, sei ein Pfund, mit dem man wuchern könne. Im Übrigen brauche Berlin und Deutschland in den nächsten Jahrzehnten die Zuwanderung, um den Wohlstand des Landes zu sichern. Auch aus diesem Grund plädierte Schwarz nachdrücklich für ein Zuwanderungsgesetz in Deutschland.
Auf einem guten Weg, die gesellschaftliche Vielfalt auch nach innen zu leben, sieht Polizei-Vizepräsidentin Koppers die Berliner Polizei. Es sei gelungen, dort das Potenzial zu wecken, das in der Behörde vorhanden war, und Menschen eine Stimme zu geben, die dort bislang nicht so zu Wort gekommen sind. Auch wenn sich die Heterogenität der Berliner Polizei sicherlich noch weiter diversifizieren lasse, liefere sie schon heute ein Abbild der auf unterschiedlichste Weisen vielfältigen Berliner Gesellschaft.
Berlin wächst Grün
Auf dem abschließenden Panel „Berlin wächst Grün“ diskutierten unsere Gäste darüber, wie Berlin zu einer modernen Metropole werden kann, die nachhaltig und grün wächst – und dabei wirtschaftlich floriert. Die PodiumsteilnehmerInnen waren sich einig, dass Berlin das kreative, technologische und unternehmerische Potenzial hat, um zu zeigen, dass nachhaltige Technologie- und Ressourcennutzung in einer modernen Metropole nicht nur möglich ist, sondern zum Treiber für wirtschaftliches Wachstum werden kann.
Philipp Bouteiller (Keynote) fasste zusammen, woran es aber momentan in unserer Stadt krankt: „Wir entwickeln Produkte in Berlin, die woanders genutzt werden, aber unsere Verwaltung nutzt diese nicht.“ Berlin müsse seine Chance auf eine wirtschaftliche Renaissance ergreifen, indem unsere Stadt sich Zukunftsmärkte erschließt in zentralen Bereichen nachhaltiger Technologie und grüner Wirtschaft.
Ramona Pop zog das Fazit, wir Grünen hätten auf unserer Berlin-Konferenz einmal mehr gelernt, „wie ungemein wichtig es ist, dass wir dem kreativen Potenzial, den Berlin-MacherInnen, Freiräume bieten und erhalten, und dass wir die Vielfalt unserer Stadt als große Chance sehen.“ Aber im Kern sei es sowohl Voraussetzung für diese Freiräume als auch Bedingung dafür, sie erhalten zu können, dass Berlin auch wirtschaftlich endlich wieder auf die Füße komme. Deswegen brauche es in Berlin Investitionen und Freiräume für grünes und nachhaltiges Wachstum. Ramona Pop formulierte daraus den Anspruch, dass wir Grüne „entscheidend dazu beigetragen können und werden, die Voraussetzungen für ein grünes Wirtschaftswunder in dieser Stadt zu schaffen.“
Market Place: Berlin in der Nussschale
Nicht nur auf den Podien wurde über die Zukunft der Stadt diskutiert. Auch der so genannte Market Place, der zwischen den Panels stattfand, diente als Ideenschmiede für ein nachhaltigeres, weltoffeneres und partizipativeres Berlin. Auf dem Marktplatz stellten Akteurinnen und Akteure der Stadtgesellschaft sich, ihre Initiativen und Projekte vor. Darüber hinaus erörterten auch die Abgeordneten der Grünen-Fraktion mit den Gästen Kernfragen und Ideen für ein starkes Berlin. Der Market Place diente der Vertiefung der Diskussionen auf den Podien, zeigte darüber hinaus allerdings auch die Vielfalt der Berliner Stadtgesellschaft und der grünen Abgeordnetenhausfraktion.
Viele Thementische der Abgeordneten drehte sich um das Thema wirtschaftliche Transformation. So diskutierte die Nicole Ludwig mit den KonferenzteilnehmerInnen über die Green Smart City, in der sich über die Vernetzung smarter Systeme in Echtzeit ganz neue Steuerungsmöglichkeiten ergeben, die auch einen effizienteren Umgang mit Ressourcen ermöglichen. Einen Ausblick, wie eine solche Smart City aussehen könnte, gab Dr. Henning Heppner von eBee Technologies. Er stellte auf dem Market Place eine Straßenlaterne aus, die zusätzlich zur Beleuchtung einer Standard-Straßenlaterne ganz nebenbei noch als Ladestation für Elektroautos fungiert. Bola Olalowo erörtere an seinem Thementisch mit der Wissenschaftlerin Jana Gebauer, welche Schritte nötig sind, damit die Politik die sozial-ökologische Verantwortung der Berliner Wirtschaft endlich als ihre ureigene Aufgabe begreift und entsprechend handelt.
Auch über das Thema Beteiligung wurde auf dem Market Place intensiv diskutiert. Der Abgeordnete Dirk Behrendt forderte an seinem Thementisch, an dem er vom Landesvorsitzenden von Mehr Demokratie e.V. Oliver Wiedmann unterstützt wurde, nicht weiterhin ein Fünftel der Bevölkerung von der demokratischen Mitwirkung in Berlin auszuschließen. Aus seiner Sicht sollten hier geborene MigrantInnen ebenso abstimmen und wählen dürfen wie 16- und 17-Jährige, die bisher nur im Bezirk wählen dürfen.
Zum Thema Weltoffenheit wurden ebenfalls zahlreiche Stände angeboten – was angesichts der zahlreichen Geflüchteten, die in den letzten Wochen und Monaten neu nach Berlin kamen und weiterhin kommen, sicherlich keine Überraschung ist. Es wurde unter anderem an einem Thementisch von Canan Bayram über die katastrophale Lage am LAGeSo und die allgemein mangelhafte Versorgung der Geflüchteten diskutiert. Dabei wurden konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Flüchtlingen vorgeschlagen, wie etwa, die ankommenden Menschen auch schon vor der Erstregistrierung gesundheitlich zu versorgen. Somit könnte die Politik es den Menschen ermöglichen, unter menschenwürdigen Bedingungen auf die Annahme bzw. Bearbeitung ihres Asylantrags zu warten.
Die Thematik der Diskussionsinseln und der sich präsentierenden Initiativen beschränkte sich jedoch nicht ausschließlich auf die Fragestellungen der Panels. Auch über Themen wie Umwelt- und Naturschutz, Bildung, faire Arbeit, Antidiskriminierungsstrategien, Verkehrs-, Pflege-, Innen- oder Wohnungspolitik wurde engagiert beraten und debattiert. Dabei wurde unter anderem über die Verabschiedung eines Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz gesprochen, das es nach Ansicht der Grünen-Fraktion dringend braucht, um Diskriminierung in öffentlichen Institutionen vorzubeugen bzw. entschieden entgegenzutreten.
Benedikt Lux forderte an seinem innenpolitischen Thementisch eine externe Beschwerdestelle für die Polizei, die mögliches polizeiliches Fehlverhalten unabhängig und transparent untersuchen und damit für mehr Vertrauen zur Polizei in der Bevölkerung sorgen könnte. Sabine Bangert wiederum setzte sich an Ihrem Thementisch dafür ein, Mindesthonorare, angemessene öffentliche Zuschüsse und Tarifverträge für Kultureinrichtungen einzuführen. Unterstützt wurde sie dabei von Andreas Altenhof (Neuköllner Oper/Rat für die Künste) und vom Landesverband freie darstellende Künste Berlin e.V.
Es kamen also viele gute Ideen zusammen, wie wir Berlin voranbringen können. Diese Ideen werden nun nicht in einer Schublade verschwinden – nach dem Motto „schön, dass wir darüber gesprochen haben“ – , sondern weiter diskutiert und sich in unseren Parlamentsanträgen oder im grünen Wahlprogramm für das kommende Jahr wiederfinden. Die Berlin-Konferenz ist für uns Ausdruck eines bestehenden und fortzuführenden Dialogs mit der Stadtgesellschaft. Er unterstützt uns dabei, die Probleme und Kernaufgaben in Berlin herauszufinden und gemeinsam an ihrer Lösung zu arbeiten. Dieser Austausch ist ein zentrales Anliegen unserer Politik, denn stärkere Beteiligung der Bevölkerung führt zu repräsentativeren Ergebnissen und damit auch zu mehr Akzeptanz. Die erfolgreichsten Projekte sind die, in denen sich viele Leute wiederfinden. Somit freuen wir uns, dass auf der Berlin-Konferenz so viele spannende Projektideen zusammengekommen sind. Und ganz besonders freuen wir uns auf deren Umsetzung – gemeinsam mit Ihnen