Grüne Europawochen: Ein Stück Belgien in Berlin
Der Brexit macht in diesen Tagen wieder deutlich wie uns Nationalismus und Europafeindlichkeit in eine große Unsicherheit stürzen. Wir Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus verstehen uns als Gegenpol dazu. Aus diesem Grund rufen wir im April und Mai unsere grünen Europawochen ins Leben. Unter dem Motto „Wir für Europa“ zeigen wir Landespolitiker*innen Flagge für eine klar proeuropäische Haltung. Marc Urbatsch stellt an dieser Stelle ein Stück Belgien in Berlin vor – das Belgische Viertel.
Der Begriff „Belgisches Viertel“ ist zweifelsohne mit der Stadt Köln verbunden. Sofort denkt jeder Mensch, der dort einmal hausieren gegangen ist, an die gemütliche Atmosphäre in diesem Stadtteil und die zahlreichen Cafes, Restaurants und Boutiquen, die sich dort aneinanderreihen. Selbst den wenigsten Berliner*innen ist dabei bewusst, dass es auch in Berlin ein „Belgisches Viertel“ gibt, das heutzutage eher „Brüsseler Kiez“ genannt wird. Genau wie in Köln wird der Name des Viertels auf die Benennung der Straßen zurückgeführt. Doch anders als in Köln, wo die Stadtversammlung schlicht Namen auswählte, die zu den anderen Straßennamen passen würden – es gab um das Viertel herum bereits die Limburger Straße und die Flandrische Straße -, ist die Geschichte des belgischen Viertels in Berlin etwas komplizierter:
Baulich erschlossen wurde das Gebiet um die Brüsseler Straße im Zeitraum zwischen 1896 und 1908. Dem Vorausgegangen war die Entwicklung des Stadtteils Wedding-Gesundbrunnen von einem kleinen Dorf am nördlichen Rand Berlins zu einem beliebten Wohn- und Ausgehviertel. Nachdem Wedding 1861 eingemeindet wurde und 1872 schließlich durch die Bahnhöfe „Gesundbrunnen“ und „Wedding“ an die Ringbahn angeschlossen wurde, erfolgte ein enormer Zuzug in diesen Stadtteil. Dies machte die weitere Bebauung größerer Flächen nördlich des Ringbahnnetzes notwendig. So weitete sich Berlin nach und nach aus und neue Wohnviertel entstanden.
Als die Frage der Benennung aufkam, entschied sich der Magistrat der Stadt Berlin Friedrich Wilhelms I. 200. Geburtstag zum Anlass zu nehmen und Straßennamen und Plätze nach Personen und Ereignissen des spanischen Erbfolgekrieges zu benennen. So wurde beispielsweise der Platz an der Kreuzung Müllerstraße / Schulstraße nach Leopold I. Fürst von Anhalt-Dessau benannt, der die preußischen Truppen im Erbfolgekrieg befehligte. Die belgischen Straßennamen westlich der Müllerstraße, die zwischen 1906 und 1907 vergeben wurden, sind demnach reminiszent für Orte und Regionen in Flandern und dem damaligen Herzogtum Brabant, an denen wichtige Schlachten ausgefochten wurden.
Einzig der Name „Amrumer Straße“ lässt sich dadurch nicht erklären. Das liegt daran, dass diese dem schleswig-holsteinischem Viertel (heute „Sprengel-Kiez“) zugerechnet wurde. Deshalb erhielt sie ihren Namen schon 1899.
Das Belgische Viertel zeigt stellvertretend für zahlreiche weitere Viertel und Orte, dass Berlin nicht nur eine deutsche Großstadt ist, sondern eine Metropole, die die europäische Geschichte wie keine andere Stadt widerspiegelt.
Dass wir heute dazu übergehen gehen können Widerstandskämpfer*innen durch die Benennung von öffentlichen Plätzen und Straßen zu würdigen, wie zuletzt geschehen am Otto-und-Elise-Hampel-Weg, ist eine große Errungenschaft des Friedensprojekts der europäischen Gemeinschaft. Das Belgische Viertel erinnert uns daran, dass dies keine Selbstverständlichkeit ist.
Straßen im Belgischen Viertel:
Amrumer Straße, trägt ihren Namen seit 30.04.1899
Antwerpener Straße, trägt ihren Namen seit 15.09.1906
Brüsseler Straße, trägt ihren Namen seit 15.09.1906
Genter Straße, trägt ihren Namen seit 15.09.1906; hieß von 19.08.1933 bis 31.07.1947 Fritz-Schulz-Straße
Limburger Straße, trägt ihren Namen seit 18.07.1907
Lütticher Straße, trägt ihren Namen seit 15.09.1906
Ostender Straße, trägt ihren Namen seit 28.06.1907
Zeppelinplatz, benannt seit 01.06.1910 nach dem Militär und Erbauer des ersten starren Luftschiffes Ferdinand Graf von Zeppelin