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Rechtsextreme Taten verfolgen – Unabhängige Untersuchungen jetzt!

Blaulicht auf einem Polizeiauto Foto: fsHH/Pixabay_CC0

Die Berliner Polizei ist ein Garant für Freiheit, Sicherheit und Ordnung in unserer Stadt. Sie steht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und verteidigt unsere Werte, die Offenheit und Menschlichkeit in unserer Stadt. Sie sorgt für Sicherheit und verfolgt Kriminalität. Akzeptanz und Vertrauen in die Berliner Polizei sind wichtige Voraussetzungen für Ermittlungserfolge und für eine gute Polizeiarbeit. Jede einzelne Polizistin und jeder einzelne Polizist trägt täglich eine hohe Verantwortung für die Bestätigung dieses Vertrauens und dieser Akzeptanz und natürlich auch dafür, dass Straftaten und verfassungsfeindliche Vorkommnisse, auch in den eigenen Reihen, gemeldet und konsequent verfolgt werden.

In den letzten Jahren gab es rechtsextreme Vorkommnisse – davon einige Verdachtsfälle, aber auch eindeutige Straftaten – die geeignet sind das Vertrauen in die Berliner Polizei zu erschüttern. Gleichzeitig werben rechtspopulistische und rechtsextreme Kreise immer stärker um Polizistinnen und Polizisten, in Einzelfällen bekennen sich Polizistinnen und Polizisten aktiv zu rechten Parteien, übernehmen dort Funktionen. In einigen Fällen stehen Polizistinnen und Polizisten sogar den höchst gefährlichen Reichsbürgern nahe. Verfassungsfeindlichkeit darf in den Reihen der Polizei keinen Platz haben.

In Neukölln gibt es seit Jahren keine befriedigenden Ermittlungsergebnisse gegen eine rechtsextremistische Anschlagsserie und den Mord an Burak Bektaş 2012. Zudem wurde das spätere Opfer eines Brandanschlags trotz akuter Hinweise nicht von der Polizei gewarnt. Im Raum steht ebenfalls der Verdacht, dass sich ein Mitarbeiter des LKA mit dem stadtbekannten Neonazi Sebastian T. in einer Kneipe getroffen hat – wozu es unterschiedliche Angaben seitens der Sicherheitsbehörden gibt. Diese Vorfälle sowie alle bisher unbeantworteten Fragen müssen umfassend aufgeklärt und beantwortet werden.

Ermittlungserfolge können nicht erzwungen werden, aber die rot-rot-grüne Koalition steht in der Pflicht, die Vorfälle und Ungereimtheiten konsequent aufzuklären. Es reicht nicht, darauf zu verweisen, dass es eine gute Praxis in der Ausbildung und Netzwerkarbeit der Berliner Polizei für Weltoffenheit, Demokratie, gelebte Vielfalt und interkulturelle Kompetenz gibt. Es reicht nicht, dass Führungskräfte und der Senat sensibel und engagiert für eine demokratische Polizei einstehen; entscheidend ist, dass Rechtsstaat und Demokratie an der Basis und in allen Bereichen der Polizei Tag für Tag vermittelt werden; dass Verfassungsfeindlichkeit generell und grobe Verstöße gegen das Mäßigungs- und Neutralitätsgebot im täglichen Dienst nicht geduldet werden.

 

Dafür schlagen wir vor:

 

1. Ein*e Sonderbeauftragte*r für Neukölln

Der Senat setzt eine*n unabhängige*n Sonderbeauftragte*n – nach dem Vorbild des Sonderbeauftragten zum Terroranschlag am Breitscheidplatz Bruno Jost – ein, der unverzüglich die Vorkommnisse in Neukölln untersucht. Dazu gehören die Umstände und Abläufe im Fall der unterlassenen Warnung beim Brandanschlag auf den Bezirksverordneten der Linken. Dazu gehört die Untersuchung der Umstände des mutmaßlichen Treffens eines Mitarbeiters des LKA mit dem Neonazi Sebastian T. in einer Neuköllner Kneipe. Der Sonderbeauftragte soll dem Innenausschuss bis Ende März 2020 berichten und auch der Frage nachgehen, ob Maßnahmen gegen verdächtige Personen von Mitarbeiter*innen des LKA‘s unterlaufen wurden.

2. Erfassung von verfassungsfeindlichen Verstößen

Bislang sind die meisten der genannten Fälle nur über Recherchen von Medien bekannt geworden. Senat und Polizeiführung selber führen keine Statistiken. Im Juli 2019 kündigte die Polizeipräsidentin auf die Forderung der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen an, rechtsextreme Taten in der Polizei zu erfassen. Dies ist auch erforderlich um einen aktuellen Stand und die Entwicklung von verfassungsfeindlichen Vorkommnissen in der Berliner Polizei zu haben. Um dem Neutralitätsgebot gerecht zu werden, schlagen wir die Erfassung aller verfassungsfeindlichen und menschenverachtenden Vorkommnisse in der Polizei vor.

3. Disziplinarrecht – Verantwortung für die Vorgesetzten

Die Durchsetzung von rechtsstaatlichen Regeln gelingt nur, wenn die Vorgesetzten und Mitarbeiter*innen verfassungsfeindliche Vorkommnisse melden. In einigen Fällen, wie bei der in einer Chat-Gruppe geposteten verfassungsfeindlichen Symbolik („88“) gab es eine solche Meldung nicht. Diese kam nur durch einen Zufallsfund im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Nachbereitung des Terroranschlags am Breitscheidplatz zu Tage. Wir brauchen eine aufmerksame Kultur in der Polizei an der Basis, die bei verfassungsfeindlichen Äußerungen vom ersten Moment an einschreitet sowie die Möglichkeit Meldungen anonym abzugeben.

4. Studie über verfassungsfeindliche Einstellungen innerhalb der Polizei

Die Gründe für verfassungsfeindliche Einstellungen in der Polizei müssen untersucht und transparent beraten werden. Warum werden insbesondere rechtsextreme Vorkommnisse bekannt? Gibt es auch Einstellung aus anderen Phänomenbereichen? Wie lange und wie verfestigt sind diese? Bei wem liegen sie vor? Hat die konkrete Arbeitssituation etwas damit zu tun? Was sind erfolgversprechende Ansätze, um diesen entgegen zu wirken?

5. Untersuchung von Kennverhältnissen

Der Verfassungsschutz warnt seit längerem vor einer höheren Vernetzung von rechtsextremistischen Gruppen. Diese ist auch in der Berliner Polizei nicht ausgeschlossen. Insbesondere das Hannibal-Netzwerk und die täglich neuen Erkenntnisse über das sog. Kreuz-Netzwerk haben gezeigt, wie schnell es zu eingeschworenen Verbindungen von Rechtsextremist*innen im Militär und bei der Polizei kommen kann. Es ist fahrlässig sich darauf zu verlassen, es handele sich um wenige Einzelfälle, weil keine weiteren Erkenntnisse vorliegen. Die Gefahr eines rechtsextremen Netzwerks ist nicht zu unterschätzen; sehr wahrscheinlich ist, dass sich Rechtsextreme innerhalb der Polizei auch in kleinen Gruppen vernetzen. Die Polizei ist deshalb aufgefordert, Umgangs-, Vertrauens- und Kennverhältnisse von Polizist*innen, die mit verfassungsfeindlichen Einstellungen aufgefallen sind, abzuklären.

6. Polizeibeauftragte*r mit Ermittlungskompetenzen

Für Fälle wie die bereits aufgeführten, ist ein*e unabhängige* Polizeibeauftragte*r eine sinnvolle Anlaufstelle. Diese muss eigenständige Ermittlungskompetenzen haben und mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Polizei sprechen können. Deswegen ist es dringend erforderlich noch dieses Jahr das Gesetz für eine*n unabhägige*n Beauftragte*n für Bürger*innen- und Polizeiangelegenheiten umzusetzen, wie unsere Fraktion vorgeschlagen hat.

7. Kritikkultur – Offener Umgang

Wir erwarten, dass die Polizeiführung die in Rede stehenden Fälle aktiv aufklärt und das Parlament in geeigneter Form über den Sachverhalt und die Rechtsfolgen umfassend unterrichtet wird, auch über wesentliche Fälle, die noch nicht über Medienrecherchen bekannt geworden sind. Wichtig ist, dass die große Zahl demokratischer und engagierter Polizistinnen und Polizisten dazu ermutigt werden, offen, fair und transparent auf verfassungsfeindliche Vorkommnisse aufmerksam zu machen. Vielfach – in leichten, unbedachten, missverständlichen, Fällen – möge dafür ein persönliches Gespräch unter Kolleg*innen genügen; manchmal ist die Mitteilung an eine*n Vorgesetzte*n unumgänglich. Entscheidend ist, dass offen miteinander gesprochen wird und Personen, die berechtigte Hinweise gemacht haben, gewürdigt werden und keine Nachteile zu befürchten haben.

Benedikt Lux & June Tomiak, 18. September 2019

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