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Rede von Werner Graf in der Plenarsitzung vom 25. Mai 2023

Werner Graf in der Plenarsitzung vom 25. Mai 2023 Foto: Felix Kraus

*** Es gilt das gesprochene Wort ***

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,

es ist schon etwas sinnbildlich: kaum regiert Schwarz-Rot Berlin, steigt Hertha BSC ab. Nein, im Ernst, dem neuen Senat das nun vorzuwerfen, würde selbst für mich zu weit gehen. Es stimmt ja so auch nicht. Wo Hertha BSC anscheinend nun endlich auf einem klaren —und wie ich finde — guten Berliner Weg ist, wieder Bodenhaftung gefunden hat und auf realistische Ziele setzt, ist es bei Schwarz-Rot genau andersrum.

Es fühlt sich an wie zu Zeiten des Big City-Clubs: Man redet von der Champions League, also Sie von Olympia, von Weltausstellungen, von 4-Tage-Wochen oder von U-Bahn-Linien, deren Bau wir alle nicht erleben werden. Man investiert Millionen und Milliarden in Prestige-Projekte die erst mal schön klingen, aber am Ende nur zur Verschuldung und zum Abstieg führen.

Oder wie es vor nicht mal allzu langer Zeit hier Raed Saleh über seinen jetzigen Koalitions­partner Kai Wegner gesagt hat — ich zitiere mit der Erlaubnis der Präsidentin: “In 80 Phrasen um die Welt.” Respekt, lieber Raed Saleh, dass du damals schon wusstest, wie man den schwarz-roten Koalitionsvertrag am besten beschreibt: “In 80 Phrasen um die Welt”. Hoffen wir mal, dass es nicht bald heißen muss: In 80 Katastrophen blamiert vor der Welt!

Ja, ich gebe zu, auch wir als Rot-Grün-Rot haben einiges nicht umgesetzt — aber wir mussten ja auch erst mal die Folgen Ihrer letzten Koalition aufräumen. Und: wir haben die wesent­lichen und zentralen Gerechtigkeitsfragen nachhaltig angepackt und Berlin moderner gemacht:

Das Landes-Antidiskriminierungsgesetz, 13 % mehr Jobs verglichen mit 2016 — trotz Corona ein Mobilitätsgesetz, das sich international sehen lassen kann, und mehr Personal für Berlin — sei es bei Polizei oder Staatsanwaltschaft oder in der Berliner Verwaltung. Auch an diesen Erfolgen werden Sie sich messen lassen müssen. Werden Sie die Rückschrittskoalition, die sich schon in Konturen abzeichnet? Oder besser: haben Sie den Mut zum Fortschritt wie unter Rot-Grün-Rot!

Momentan hat man noch das Gefühl, Sie können gar nicht schnell genug neue Großprojekte, neue Phrasen, neue Luftschlösser bauen, um davon abzulenken, dass Sie keine Antworten auf die aktuellen Probleme dieser Stadt haben. Die Berliner bekommen derzeit vor allem eines von Ihnen: den Konjunktiv — könnte, sollte, wird geprüft. Nur beim Gendersternchen sind sie klar: der ist nicht mehr willkommen! Na das nenn ich mal Prioritätensetzung.

Kai Wegner hat im Wahlkampf immer erzählt, dass weniger gestritten und mehr gehandelt werden müsste. Ich zitiere mit der Erlaubnis der Präsidentin Herrn Kai Wegner: “Statt wichtige Zukunftsaufgaben anzupacken, werfen sich die Koalitionäre in die ideologischen Schützengräben. Im ewigem Zank-Modus ist die Handlungsfähigkeit auf der Strecke geblieben.” Das haben Sie damals über Rot-Grün-Rot gesagt. Verglichen mit den ersten Wochen von Schwarz-Rot muss man neidlos anerkennen: Im Streiten und Spalten haben Sie jetzt schon mehr als 6 Jahre Rot-Grün-Rot übertroffen. Chapeau!

Drei Wahlgänge haben Sie gebraucht, um überhaupt gewählt zu werden. Ob mit oder ohne die Stimmen der AfD, das werden wir wohl nie erfahren. Ein einmaliger Vorgang. So viel Chaos. So viel Zerstrittenheit hat Berlin nicht verdient. Sie wollten alles besser machen, aber es kam noch schlimmer: Statt die Stadt zusammenzuführen, haben Sie es sogar geschafft, ihre eigenen Parteien zu spalten. Ich würde ja gerne ein rhetorisches “Respekt” anfügen, wenn es nicht so traurig wäre. So bitter für unsere Demokratie.

Eine parlamentarische Demokratie braucht stabile Mehrheiten. Gerade in Krisen braucht man Verlässlichkeit im Parlament. Doch statt klaren Mehrheiten mit Plänen für die Stadt, reiben sich die Berliner*innen die Augen, was in vier Wochen so alles unter Schwarz-Rot passiert ist: Die CDU hat ihren ersten Spendenskandal und die SPD wird ab nächstem Jahr die Mieten für 350.000 Haushalte erhöhen. Berlin muss man sich eben leisten können: Deshalb wurden die Gehälter angehoben — aber nur für die Büroleitungen in Leitungsstäben. Die Sachbearbei­terin im Bezirksamt, die Polizist*innen im Schichtdienst, die Feuerwehrleute: Sie alle gehen leer aus.

Aber Sie haben auch unsere Erwartungen in ein paar Punkten erfüllt — auch wenn es unsere schlimmsten waren: Ankündigungen von Präventivhaft hier und Genderverbote da. Konservative Identitätspolitik vom Feinsten — mit freundlicher Unterstützung von: Ihrer Berliner SPD.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, “einfach mal machen” hieß es im Wahlkampf vom Kandidaten Wegner sehr oft. In Ihrem ersten großen Interview des neuen Regierenden Bürgermeisters wurde daraus dann schon — ich zitiere mit der Erlaubnis der Präsidentin — “zaubern können wir nicht”. Aber es will ja niemand, dass Sie zaubern! Wir wären ja schon froh, wenn der Koalitionsvertrag mehr als Phrasen wäre, mehr wäre als ein Lehrbuch des Konjunktivs für den Deutschunterricht. Denn den Berliner*innen helfen Ihre Luftschlösser überhaupt nichts.

Ihr bekanntestes Luftschloss: das 29-Euro-Ticket. Nun regieren zwei Parteien, die das 29-Euro-Ticket einführen wollen. Für die SPD ja auch ein — sagen wir offizieller — Grund, weshalb sie nicht mit uns weiter koalieren wollte. Aber wie es aussieht: Kommen wird es nicht. Heiße Luft, warme Versprechungen, Hauptsache ein schönes Plakat im Wahlkampf. Man könnte fast sagen: Mit einer Phrase durch den Wahlkampf. Ob man es dann umsetzt: egal.

Denn kaum ist der Mitgliederentscheid vorbei, kommt die grüne Lösung der Herunter­rabattierung des 49-Euro-Tickets auf den Tisch. Ich muss schon sagen: Das ist die große Kunst der Mitglieder-Irreführung. Getreu dem Motto von Garfield: Wenn du deinen Gegner nicht besiegen kannst, verwirre ihn wenigstens. Auf den morgigen Parteitag bin ich jedenfalls gespannt.

Und Luftschlösser bauen, das kann die neue Koalition ja leider auch beim Klima nur zu gut! Fünf bis zehn Milliarden Euro wollen Sie als Sondervermögen für den Klimaschutz aufnehmen. Ja! Wir brauchen Investitionen für den Klimaschutz. Ja, dafür werden wir auch Schulden machen müssen.

Nur leider haben Sie vergessen zu sagen, was Sie denn nun konkret mit dem Geld machen wollen. Hauptsache eine schöne Zahl steht in der Presse. Das ist schon kein Luftschloss mehr, das ist schon ein ganzes Potemkinsches Dorf. Oder warten Sie nun wie beim 29-Euro-Ticket wieder darauf, dass wir Ihnen sagen, wie Sie es machen sollen?

20.000 neue Wohnungen, fünf Milliarden Euro Sondervermögen, 29-Euro-Ticket für alle — ich gebe zu, schöne Zahlen in die Welt zu stellen, schöne Phrasen, das können Sie. Aber wahrscheinlich wird keine davon Wirklichkeit werden! Denn durch Luftschlösser entstehen keine neue Wohnungen.

Okay, Sie brauchten diese Luftschlösser, diese leeren Versprechungen, für den SPD-Mitglie­derentscheid. Aber ich verrate Ihnen was: Der Entscheid ist vorbei. Er wurde doch mit 54 Prozent — also in Worten von Franziska Giffey “mit deutlichem Abstand” entschieden. Laut Franziska Giffey sogar eine Richtungsentscheidung für die nächsten Jahrzehnte.

Diese ganzen Luftschlösser klingen schön, aber eine schöne Fassade macht eben noch kein stabiles Haus. Setzen Sie als Koalition klare Prioritäten, erzählen Sie den Berliner*innen, was geht und was nicht, und investieren Sie dann gezielt und konkret. Bauen Sie Sozial-Wohnungen, keine Luftschlösser!

Noch immer fehlen Milliarden für Investitionen in Bus und Bahn. Hier zu investieren, den Nahverkehrsplan auszufinanzieren, ist richtig und wichtig. Gerade jetzt braucht es klare Prioritäten für eine ökosoziale Stadt, die die richtigen Zukunftsinvestitionen trifft, für moderne Schulen, für den Ausbau des ÖPNV —insbesondere in den Außenbezirken, in die Sanierung von Polizei und Feuerwehr, für die Stärkung der Verwaltung. Das sind Prioritäten, bei denen unterstützen wir Sie — und zwar gerne.

Doch sind das auch die Prioritäten der Koalition? Denn von Ihnen höre ich vor allem Olympia und Weltausstellung, mehr A100 und ein zugebautes Tempelhofer Feld, Videoüberwachung und Taser, aber keine strukturelle Neuaufstellung beim Rettungsdienst. Und statt Verwal­tungsreform kommt nur mehr Personal für die Senator*innen und Sprachvorgaben. Die Berliner*innen brauchen keine Luftschlösser. Die Berliner*innen brauchen Taten – fangen Sie an.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, manchmal wird man den Eindruck einfach nicht los, dass Schwarz-Rot lieber mit absurden Ideen ablenken will, statt sich wirklich den Herausfor­derungen zu widmen. Kein Vorschlag, keine innovative Idee zur Verwaltungsmodernisierung — stattdessen der Vorstoß, nun auch Staatsanwält*innen zu den Aktionen der Aktivist*innen der Letzten Generation zu schicken. Vielleicht hätten Sie vorher mal mit der Staatsanwalt­schaft reden sollen, denn selbst sie fragt sich nun, was sie denn dort überhaupt soll! Mit Staatsanwälten auf der Autobahn bekommen Sie keine schnelleren Verfahren, sondern höchstens noch mehr Stau!

Das einzige, was hier hilft, ist, den Weg weiter zu gehen, den wir nach Rot-Schwarz seit 2016 eingeschlagen haben: Stellen Sie mehr Polizist*innen ein! Stellen Sie mehr Staatsanwält*in­nen ein! Stellen Sie mehr Richter*innen ein! Nur das beschleunigt die Verfahren. “Einfach mal machen” — auch wenn das gar nicht immer so einfach ist, sondern oft seine Zeit kostet. Wir haben längst angefangen, setzen Sie das gerne fort!

In den letzten Tagen hören wir viele Phrasen, dass sie die Verfahren gegen Klimaaktivisten schneller machen werden. Entweder heißt das, Sie auf rechtsstaatliche Prüfungen verzichten — ich hoffe nicht — oder Sie priorisieren diese Verfahren gegenüber anderen Straftaten. Das mag Ihre Priorität sein: Ich würde mir wünschen, Sie würden wirklich gegen Organisierte Kriminalität, gegen Gewaltverbrechen und ähnlich abscheuliche Taten fokussiert und schnell vorgehen, und nicht gegen ein paar junge Menschen, die damit nerven, indem sie sich für den Klimaschutz und damit schlicht und einfach für ein politisches Ziel von Verfassungsrang einsetzen.

Und dass Frau Badenberg nun als Exekutive meint, der Judikative vorschreiben zu müssen, was sie zu tun hat, zeigt auch, dass sie noch nicht in ihrem Amt angekommen ist. Hören Sie auf, das Ansehen des Rechtsstaates zu gefährden, nur weil Sie schnell Phrasen in die Welt posaunen wollen. Und wie wir im Tagesspiegel lesen durften ist die Justizsenatorin mit dieser Ansicht auch allein unter ihren Länderkolleg*innen. Anstatt mit markigen, unausgegorenen Law-And-Order-Phrasen ablenken zu wollen, kümmern Sie sich doch um die wirklich wichtigen Themen, dann haben Sie auch die Unterstützung der Opposition.

Im Wahlkampf konnten Sie mit schönen Sätzen zur Verwaltungsmodernisierung punkten. “Einfach mal machen” — heute hat man das Gefühl, Ihnen ist eine Debatte über Gendersternchen wichtiger, als eine moderne Verwaltung. Vielleicht sollten Sie erst mal mit den Mitarbeiter*innen in der Verwaltung reden.

Die sind da nämlich schon viel weiter. Eine geschlechtergerechte Sprache steht eben genau für das offene, moderne und diskriminierungssensible Berlin, für Anerkennung, Gleichberech­tigung und Teilhabe ohne Barrieren. Aus der Stadt der Vielfalt, die Sie so heiß und innig beschwören, bleibt angesichts dieser muffigen Rückschrittspolitik aus dem vergangenen Jahrhundert nicht mehr viel übrig.

Noch schlimmer: Unter neuem Namen wollen sie in Berlin die Extremismusklausel wieder einführen. Sie heißt dann Demokratieklausel. Oder wie sagte man früher: Raider heißt jetzt Twixx, sonst ändert sich nixx.

Doch bei all diesen Debatten über die Letzte Generation, über geschlechtergerechte Sprache — bei all diesen Debatten, dürfen wir nicht übersehen, dass Schwarz-Rot gerade dabei ist, die soziale Uhr zurückzudrehen. Und ja, die SPD wird gleich wieder mit Schaum vor dem Mund auf uns Grüne zeigen. Aber lieber Raed Saleh, bitte erspare mir zumindest heute deine absurde Legendenbildung, die du für den SPD-Mitgliederentscheid brauchtest.

Wir wollten weder die kostenfreie Kita noch das kostenfreie Schulessen rückabwickeln. Das ist einfach falsch. Öko geht nur mit einer starken Sozialpolitik, das ist, war und bleibt grüne DNA!

Ich mache das gerne konkret: Das Thema Wohnungslosigkeit ist klar erkennbar nur ein Randthema im Koalitionsvertrag. Einen Masterplan gibt es nicht mehr und es fehlt der Koalition auch jede Idee für eine Gesamtstrategie. Das Ziel Obdachlosigkeit bis 2030 zu beenden, hat Rot-Grün-Rot konkret mit Maßnahmen unterfüttert, davon ist nun gar nichts mehr zu sehen. Housing First, 24/7 Einrichtungen und obdachlose Menschen durch Corona begleiten: All das hat Rot-Grün-Rot neu geschaffen. Und nun drohen all diese Errungen­schaften wieder gestrichen zu werden. Wo ist da denn die ach so berühmte sozialdemo­kratische Handschrift im Koalitionsvertrag?

Und wieso wollt ihr nun wieder Grund und Boden verkaufen? Es war eine Errungenschaft von Rot-Grün-Rot, dass Berliner Boden auch in Berliner Hand bleibt. Nun muss man von Schlupf­löchern in der Zeitung lesen, damit Schein-Genossenschaften sich dieses Tafelsilber wieder unter den Finger reißen können.

Der Berliner Bau-Filz reibt sich schon seine Hände, nur Herr Gröner ist wohl etwas verdutzt, dass auf einmal seine Worte Konsequenzen haben. Und nein, mit zwei Aussagen von Gröner selbst und von Ihnen, lieber Kai Wegner, dass alte Aussagen gar nicht so gemeint waren, ist es nicht getan. Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin Hakan Demir, von ihren Koalitions­partner, liebe CDU: “Allein der Anschein der Zweckgebundenheit schadet dem Ansehen der Demokratie.” Es ist “grundsätzlich ein sensibles Thema”.

Deswegen ist es richtig, dass die Bundestagsverwaltung nun die Spende auf ihre Rechtmäßig­keit prüft. Oder wollen wir wirklich in die Zeit zurück, in der schwarze Koffer an Tankstellen übergeben wurden? Das Ganze stinkt zum Himmel, wenn ich es einmal so sagen darf. Denn würde es wirklich — wie behauptet — um die armen Kinder gehen, dann fragt man sich doch schon, wieso diese 800.000 Euro nicht direkt an Organisationen gespendet wurden, bei denen das Geld auch diesen direkt zugute gekommen wäre.

Deshalb hätten wir Grüne mindestens erwartet, wenn der Regierende Bürgermeister seine Redezeit mal dafür verwendet hätte, den Berliner*innen offenzulegen, wie oft er sich mit Gröner und Co. getroffen hat und welche Verabredungen es hier gab. Was jetzt bleibt, ist der böse Schein.

Und was ist eine der ersten Maßnahmen, die Schwarz-Rot gegen Armut macht: Sie nimmt den rot-grün-roten Mietenstopp bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen zurück und kündigt Mieterhöhungen für 2024 an. Das ist also nun diese sozialdemokratische Handschrift? Fördern von Investoren und Fordern von Mieter*innen — das kann doch nicht Euer Ernst sein. Es muss nicht alles kostenlos für alle sein, für alle bezahlbar reicht vollkommen.

Dabei ist mehr bezahlbarer Wohnraum im Bestand wie beim Neubau dringend notwendig. Fast 50 Prozent der Berliner Haushalte haben einen Wohnberechtigungsschein. 50 Prozent! Der neue Senat will aber lieber die Sozialquoten bei den landeseigenen Wohnungsunter­nehmen senken, weil ja sonst Ghettos entstehen würden — wie gesagt: Wir reden hier von der Hälfte der Stadt, die Sie hier abwerten.

Und eine Strategie gegen die steigende Armut, ob bei Kindern, bei älteren Menschen, bei Frauen und Familien — die fehlt im Koalitionsvertrag komplett. Stattdessen wird der Härtefallfonds für Energieschulden sogar in Frage gestellt.

Und auch die Ausbildungsplatzumlage wird schon in Frage gestellt. Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin Martin Pätzold von der CDU: “Vor einer Ausbildungsplatzabgabe haben viele Unternehmen berechtigterweise Sorgen.” Liebe SPD, ich hätte an eurer Stelle Sorge, ob die Umlage überhaupt kommt. Oder ob das auch nur so ein Luftschloss ist.

Und dabei wäre eine solidarische Ausbildungsförderung nötiger denn je: Nur 17% der Berliner Betriebe bilden aus. Seit Jahren gibt es konstant eine hohe Zahl Jugendlicher, die keinen Ausbildungsplatz finden. Da ist der Fachkräftemangel tatsächlich hausgemacht.

Dass unter Ihrem Rückschrittswahn nun auch noch die Berliner Wirtschaft leiden muss, ist aber schon auch ein besonderer Treppenwitz der Geschichte. Statt der Wirtschaft mit dem sechsten und siebten Teil des Mobilitätsgesetzes endlich den Platz und die Priorität im Verkehr zu geben, den sie braucht, verfallen Sie in Ihre ideologischen Schützengräben gegen alles, was zu etwas mehr Gerechtigkeit auf den Berliner Straßen führt.

Dieses Gesetz noch weiter aufzuhalten, dem Wirtschaftsverkehr nicht den Platz einzuräumen, den er verdient hat und den er braucht, ist einfach wirtschaftsfeindlich. Legen Sie endlich Ihre Scheuklappen ab! Der Wahlkampf ist vorbei. Berlin braucht Lösungen. Also: Einfach mal machen.

Doch statt Lösungen zu präsentieren, lenken Sie ab mit Debatten aus der Vergangenheit. Die Koalition will den Klimaschutz aus der Bauordnung streichen und das Tempelhofer Feld bebauen. Ich sage Ihnen, keine einzige Wohnung mehr wird durch diese ollen Kamellen gebaut.

Statt diesen ökologischen und sozialen Rückschritt sollten Sie sich lieber um die akuten Vorhaben kümmern. Wann bauen wir endlich in Tegel und wieso nicht gleich etwas höher im Schumacher-Quartier, um schnell mehr Wohnraum zu schaffen? Wann bauen wir auf dem versiegelten Festplatz? Oder wann auf dem Dragoner-Areal oder in der Neuen Mitte Tempelhof?

Berlin braucht nicht noch einen weiteren Ort in dieser Reihe. Nicht noch ein Luftschloss. Berlin braucht eine Regierung, die auf den bereits ausgewiesenen Potentialen endlich baut — und zwar so ökologisch und so sozial. Nehmen Sie sich ein Vorbild an anderen Metropolen Europas wie Wien, Paris oder Kopenhagen. Aber davon wollen Sie nichts wissen! Sie wollen lieber Stein und Beton, statt einer lebenswerten Metropole.

Andere Städte bauen eine Stadt, die sowohl für Großeltern als auch für ihre Enkelkinder gut funktionieren. Mit sicheren Schulwegen für unsere Kinder und sicheren Fuß- und Radwegen für alle. Andere Städte öffnen ihre Straßen für die Bewohner*innen, was macht Schwarz-Rot als erste stadtentwicklungspolitische Maßnahme? Sie sperrt die Friedrichstraße wieder für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen. Man hat das Gefühl, Sie sind schon fast stolz auf das Label Rückschrittskoalition.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, auf mich wirkt Schwarz-Rot so als hätten sie sich das Motto gegeben: Sie kamen, sie sahen, sie stolperten. Nur leider reißen sie womöglich ganz schnell dabei die ganze Stadt mit nach unten. Ob in 80 Katastrophen oder nur in 80 Phrasen um die Welt — Berlin hat wahrlich besseres verdient.

Vielen Dank!

Kontrast
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