Vertrauen in den Rechtsstaat – mehr Freiheit und Sicherheit
Die rot-rot-grüne Koalition hat sich mit dem Beschluss des Koalitionsvertrags vorgenommen ein eigenes Freiheits- und Sicherheitspaket auf den Weg zu bringen. Die Gespräche dazu laufen in der Koalition bereits seit Monaten. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin hat in ihrer gestrigen Fraktionssitzung nun ein eigenes Paket an innen- und rechtspolitischen Gesetzen und Anträgen beschlossen, die den rot-rot-grünen Koalitionsvertrag umsetzen und das seit langem umstrittene Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) reformieren sollen. Wir legen hiermit die Grundlage für die folgenden Gespräche innerhalb der Koalition und mit der Stadtgesellschaft.
Der rot-rot-grüne Koalitionsvertrag sieht vor, Freiheitsrechte und Bürger*innenrechte zu stärken und mehr Opferschutz, Verkehrssicherheit, Transparenz und demokratische Kontrolle zu ermöglichen. Wir Grünen wollen mehr Freiheitsrechte, Mitbestimmung und demokratische Kontrolle. Wir nehmen das Bedürfnis der Bürger*innen nach mehr Sicherheit ernst und stärken dies mit wenigen gezielten Maßnahmen. Damit stellen wir eine Alternative zu den Polizeigesetzen anderer Bundesländer vor, die den Rechtsstaat stärkt, statt Grundrechte immer weiter abzubauen.
1. Versammlungsfreiheit stärken und zur Deeskalation verpflichten
Berlin ist Demo-Hauptstadt. 5.000 Versammlungen finden hier jährlich statt – die allermeisten friedlich. Bis heute hat das Bundesverfassungsgericht die Versammlungsfreiheit in seiner Rechtsprechung gestärkt. Wir Grüne wollen diese nun in einem eigenen Berliner Versammlungsfreiheitsgesetz umsetzen: Unter anderem schreiben wir das Deeskalationsgebot fest. Dabei darf die Polizei nur noch gegen einzelne Straftäter, nicht mehr aber gegen eine Versammlung als Ganzes vorgehen.
Außerdem wollen wir Versammlungen auch auf öffentlich zugänglichen Verkehrsflächen ermöglichen. Das Versammlungsthema und die -route sollen veröffentlicht werden, um auch friedliche Gegendemonstrationen ausdrücklich zu schützen. Die zuständige Versammlungsbehörde soll nicht mehr beim polizeilichen Staatsschutz sondern direkt bei der Polizeipräsidentin angesiedelt sein.
Alltagsgegenstände oder Verkleidungen sollen nicht mehr als Vermummung gewertet werden. Alle Amtshandlungen nach dem Versammlungsfreiheitsgesetz sind für die Bürger*innen kostenfrei.
Darüber hinaus wollen wir die Bannmeile abschaffen, denn Parlament und Abgeordnete sollten sich friedlichen Protesten stellen.
2. Eine Bürger- und Polizeibeauftragte für Berlin
Allen Bürgerinnen und Bürgern soll künftig eine unabhängige Beschwerdestelle zur Verfügung stehen. Denn: Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler. Um das Vertrauen in den Rechtsstaat zu stärken soll eine unabhängige Beauftragte den Beschwerden nachgehen.
Behörden tun sich oft noch schwer, eigene Fehler aufzuarbeiten und Beschwerden zufriedenstellend zu bearbeiten. Auch der Rechtsweg ist für viele zu teuer und lohnt sich nicht. Für uns Grüne ist entscheidend, dass die unabhängige Beauftragte auch tätig werden kann, wenn ein Straf- oder Disziplinarverfahren läuft und umfangreiche Auskunftsrechte gegenüber den Behörden hat.
3. Freiheitsrechte und Opferschutz ausbauen – Sicherheit mit Augenmaß
Das Vertrauen der Bürger*innen in die Berliner Polizei als professionelle und weltoffene Hauptstadtpolizei ist ihre stärkste Währung. Die Voraussetzung dafür ist das gezielte Vorgehen gegen die Verursacher von Gefahren und nicht gegen unbeteiligte Dritte. Beim Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz tragen wir deshalb den massiven Ausbau polizeilicher Befugnisse und die massive Aufrüstung nicht mit. Auch die Ausdehnung der Videoüberwachung im öffentlichen Raum lehnen wir ab.
Stattdessen wollen wir die Bürger*innenrechte und den Opferschutz stärken, indem Sicherheitsgespräche verpflichtend werden – und zwar immer dann, wenn der Polizei Erkenntnisse vorliegen, dass Leib und Leben gefährdet sind; und wir setzen auf Zeugenschutzprogramme.
Wir Grünen fordern auch ein Verbot von Racial Profiling: Damit wollen wir die verdachtsunabhängigen Kontrollen an sogenannten kriminalitätsbelasteten Orten senken und unabhängig evaluieren. Wir wollen zudem einen stärkeren Schutz von Anwält*innen in ihrer Berufsausübung durch ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht. Um die Verkehrssicherheit zu erhöhen soll die Polizei ausdrücklich verbotswidrig abgestellte Fahrzeuge abschleppen.
Die polizeilichen Befugnisse werden mit unserem Vorschlag gezielt und unter strengen Voraussetzungen erweitert: Um potenziellen Gewalttätern früh ein Stop-Signal zu setzen, werden Gefährderansprachen und Meldeauflagen mit in das ASOG aufgenommen. Die Bodycam wird in einem Probelauf unter den bürgerrechtsfreundlichsten Bedingungen bundesweit eingeführt. So haben alle Bürger*innen, die gefilmt werden, einen Anspruch darauf die Videos selbst einzusehen. Dieser Probelauf wird wissenschaftlich evaluiert und ist auf vier Jahre begrenzt.
4. Mehr Mitbestimmung und Transparenz
Mit einem neuen Abstimmungsgesetz sollen in Zukunft bei Volksentscheiden dem Senat strengere Fristen aufgegeben werden. So ist beispielsweise die amtliche Kostenschätzung spätestens drei Monate nach Eingang des Antrags der Trägerin des Volksbegehrens zu übermitteln. Ein sogenanntes Referendum „von oben“ lehnen wir ab, da für uns Direkte Demokratie aus der Mitte der Gesellschaft kommt und nicht vom Parlament vorgegeben werden soll.
Wir wollen außerdem ein Transparenzgesetz nach dem Hamburger Vorbild: Alle öffentlichen Daten sollen grundsätzlich veröffentlicht werden, soweit sie nicht persönliche Daten oder andere schützenswerte Informationen enthalten. Außerdem sollen Gesetze, an denen private Dritte mitarbeiten, in Zukunft entsprechend gekennzeichnet werden (Legislativer Fußabdruck). Schließlich fordern wir Grünen, das Senator*innen, die gleichzeitig ein Abgeordnetenmandat ausüben, dieses für die Dauer der Senatorentätigkeit ruhen lassen.