Wie entlasten wir Berlin? Unser Fachgespräch am 15.11.2022
Viel Licht, ein wenig Schatten und noch einiges an Hausaufgaben – unser Fachgespräch zum Berliner Entlastungspaket am 15.11.2022 hat sich der Aufgabe gestellt, das Paket zu bewerten und vor allem Lücken zu identifizieren.
Die 40 Gäste, darunter auch das gut besetzte Podium um Annette Siegert (#armutsbetroffen), Andrea Asch (Vorständin des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz), Jana Borkamp (Staatssekretärin Senatsverwaltung für Finanzen), Michael Stiefel (Armutsnetzwerk), Claudia Niemeyer (Landesarmutskonferenz) und Herrn Prof. Dr. Heinz Stapf-Finé (Professor für Sozialpolitik ASH Berlin) kamen diesmal nicht nur mit Kritik ins Berliner Abgeordnetenhaus. Für die Grüne Fraktion nahmen Silke Gebel (Fraktionsvorsitzende), Taylan Kurt (Sprecher für Sozialpolitik und Armutsbekämpfung), Klara Schedlich (Stellvertretende Fraktionsvorsitzende) und Catrin Wahlen (Sprecherin für Inklusion und Senior*innen) teil.
Alle waren sich darin einig, dass Berlin mit dem Entlastungspaket einen wichtigen Schritt geht und das Paket vielen Menschen zugute kommen wird. Jana Borkamp stellte dabei die engagierte und vor allem schnelle Arbeit der Finanzverwaltung in den Vordergrund. Der Haushalt ist flexibel gestaltet und kann bei Veränderungsbedarf noch angepasst werden. Auf einhelliges Lob stieß vor allem die Weiterführung des 9-Euro-Tickets im Rahmen des Sozialtickets. Es besteht die große Hoffnung, den Preis auch über den März hinaus halten zu können und die Studierenden einzubeziehen. Auch die Einführung des Härtefallfonds Energieschulden wurde sehr gelobt. Wichtig war allen Beteiligten die Niedrigschwelligkeit des Angebots.
Hilfe muss unbürokratisch bei den Menschen ankommen. Ein Mittel dafür kann das neue Landesprogramm Energieberatung sein. Dieses soll die Beratungsinfrastruktur stärken und für Energiefragen fit machen. Frau Asch wies darauf hin, wie wichtig es sei, die neuen Angebote besser miteinander zu verzahnen. So soll das Netzwerk der Wärme qualifiziert werden und auch Beratungsleistungen anbieten können. Wichtig wäre nun die Schaffung von nachhaltigen Beratungsstrukturen und nicht von prekärer Arbeit in der Sozialberatung. Alle Beratungsangebote müssen dabei in verschiedenen Sprachen vorgehalten werden und so viele Menschen wie möglich erreichen. Herr Stiefel wünscht sich dafür Informationen im öffentlichen Raum, sei es in der U-Bahn oder an der Bushaltestelle. Die Menschen müssten wissen, wo sie in dieser Zeit so einfach wie möglich Hilfe bekommen können.
Mit dem neuen Wohngeld und dem hoffentlich kommenden Bürgergeld wird sich die Zahl der Empfänger:innen erhöhen. Frau Siegert berichtete aus ihrer eigenen Erfahrung, dass Anträge auf Unterstützung teilweise Monate bräuchten und so eben nicht schnelle Hilfe leisten. Das Podium war sich daher einig, die Wohnungsämter und vor allem die Sozialämter und Jobcenter müssen besser aufgestellt und personell auf einen guten Stand gebracht werden. Andreas Audretsch, MdB, berichtete in diesem Zusammenhang von den teilweise sehr komplizierten Verhandlungen ums Bürgergeld. Auch wenn die Kritik an der geringen Erhöhung des Regelsatzes auch im Fachgespräch aufkam, verteidigte er die Reform.
Reformbedarf bestehe auch im Mietrecht. Zwar wurde das Mietmoratorium bei den kommunalen Wohnungsgesellschaften und dem Studierendenwerk sehr begrüßt, die meisten Menschen wohnten nun aber bei privaten Vermietern und brauchen dringend einen Schutz vor Wohnungsverlusten.
Viele der Gäste wiesen abschließend auf die sehr schwere Situation weiterer Gruppen hin: So wurden Obdachlose, pflegende Angehörige, Pflegebedürftige oder Wohnungsgeber:innen für Geflüchtete im Entlastungspaket bisher nicht explizit berücksichtigt.
Gemeinsam mit den Gästen und der Stadtgesellschaft wollen wir die Umsetzung in den nächsten Wochen begleiten und die Konzepte nun in die Tat umsetzen. Dass viele Menschen nun solidarisch mithelfen wollen, konnten wir beim Fachgespräch bei allen spüren.
Medienberichterstattung: Artikel im neuen deutschland